Werdings Tiere: Wenn ich ein Adler wär
Ich wünsch' mir manchmal, Schnell und klug zu sein Genau wie ein Delphin, Doch leider bin ich nur, wie ich bin.
Text: Hans-Ulrich Weigel Album: Wenn du denkst du denkst dann denkst du nur du denkst (1975)
Wir stehen vor der Liebesbeziehung zweier Menschen, die sich im Verlauf des Textes von einem leicht kriselnden Du könntest manche Dinge anders sehn
hin zu einem mit der Sache fertigen Du solltest manche Dinge anders sehn
verschlechtert. Während die eine Person in einer nicht näher genannten Weise ratlos
ist, gleichzeitig aber jede Unterstützung ablehnt, ist die andere zwar willens zu helfen, sieht sich dazu aber nicht in der Lage. So stellt es sich auf den ersten Blick dar.
Die Unfähigkeit zu helfen, ob nun echt, eingebildet oder eingeredet, drückt sich in einem Satz aus, wie er trostloser kaum sein kann: Doch leider bin ich nur, wie ich bin.
Die hilfsbereite Person versucht, ihre Ohmacht durch eine Flucht ins Reich der Fantasie zu überwinden, und so schlüpft sie zusammen mit dem Ziel ihrer Hilfsangebote in verschiedene Rollen. Es beginnt seltsam. Als ausdauernder und aufmerksamer Adler bringt sie den Morgen sicher durch die Widrigkeiten des Tages und wacht auch in der Müdigkeit des Abends über ihn. Ja, der Mannheimer Morgen berichtet regelmäßig über die Adler Mannheim, aber darüber hinaus bleibt mir unklar, was Adler und Morgen miteinander verbindet. Wenn sie dann als furchtloser Löwe das Lamm nicht als Beutetier versteht, kann kurz an den messianischen Tierfrieden gedacht werden, wie ihn Edward Hicks dutzendfach im Laufe seines Lebens malte. Weit her ist es mit dem Frieden jedoch nicht, es drohen Gefahren und der Löwe muss kämpfen, um das Lamm zu beschützen. Als kluger Delphin führt sie zu guter Letzt das kleine Schiff sicher durch die Meere. Historische Vorlage dafür ist möglicherweise der Delphin Pelorus Jack, der einst Schiffe durch die schwierigen Gewässer im Norden der Südinsel Neuseelands begleitete und im Jahr 1904 als vermutlich erstes individuelles Seelebewesen per Gesetz geschützt wurde.
Auf den zweiten Blick fällt auf, dass der Text ausschließlich die Sichtweise der hilfsbereiten Person wiedergibt. Es wäre vielleicht mal ganz interessant zu wissen, ob die andere Person überhaupt ratlos
ist und Unterstützung benötigt. Vielleicht gibt es gar keine Liebesbeziehung, sondern nur eine einseitige, unerwiderte Liebe. Vielleicht handelt es sich bei dem Bedürfnis zu helfen um ein aufdringliches, aus mangelndem Selbstwertgefühl entstandenes Ringen um Anerkennung. Bitte, nimm mich wahr! Bitte, lass etwas, das ich tue, für dich von Bedeutung sein! Wir wissen es nicht.
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